Im „Topographischen Atlas Bayern“ (München 1968) hat mein Bayreuther Lehrer, Prof. Werner Emmerich, Grafenreuth als „ein schönes Beispiel für die Neuanlage von Rodungssiedlungen im ehemaligen Reichsland Eger“ vorgestellt. Das Dorf dürfte im Wesentlichen wie andere „Reuth“- Orte ringsum (Garmersreuth, Bergnersreuth, Neuenreuth) im 12. Jahrhundert entstanden sein und wurde von den ersten Siedlern zu Ehren der auftraggebenden Grafen (vermutlich Berengar I. von Sulzbach, gest. 1125) so benannt. Das bäuerliche Dorf war zunächst sulzbachsches Erbe und kam als Reichslehen an das Geschlecht der Nothaft und in Folge um 1360 an die Landgrafen von Leuchtenberg. Durch eine Teilung waren zeitweise auch die Rorer von Bernstein mit Grundherren. Schließlich konnten 1378 die hohenzollerischen Nürnberger Burggrafen die Oberlehenshoheit erwerben.

Grafenreuth zeigt noch heute das einheitliche Schema eines „Waldhufendorfes“.
Noch jetzt sind am Südhang der Hohen Warte (628 m) die radialförmig um die 8 Höfe gelagerten Waldhufen der ersten Rodungsflur (reuthen = roden) zu erkennen. Im Kataster werden sie mit dem Flurnamen „Zelchäcker“ bezeichnet. Die Flurbereinigung (Gedenkstein zum Abschluss 1970 auf dem Wartberg mit dem Spruch: "Die Väter rodeten, wir pflügten tiefer) ließ diese Feldstruktur im wesentlichen unangetastet, abgesehen von der Zusammenlegung der kleineren schachbrettartigen oder streifenförmigen Parzellen, welche durch Höfeteilungen ab 1650 entstanden waren.

Das planmäßig errichtete Bauerndorf bestand aus 8 Urhöfen, je 4 zu beiden Seiten an der Quellmulde des großen Dorfangers, der jetzt noch „8-Bauern-Grund“ ist. Im „Landbuch der Sechsämter“ von 1499 werden die „Raynung und marckung diss Dorfs“ sowie die Mannschaften der „obgeschribe- nen 8 hof“ aufgeführt und deren Zehntabgaben und Frondienste beschrieben. 1721 wird erstmals eine markgräflich privilegierte „Zapfenschenke“ genannt, die auf dem Anger zwischen den zwei Dorfteichen errichtet worden war (heute Gasthaus „Zur Hohen Warte“ – als letztes von ehemals 8 Wirtshäusern in der Gemeinde Grafenreuth noch bewirtschaftet).

Wirtshaus

Dazu kamen die Dorfschmiede daneben und das Häuschen für den Dorfhirten an der „Arzberger Gasse“. Um 1850 zählte Grafenreuth 33 Hausnummern einschließlich der Unteren Mühle (die Grafenreuther Mühle war einst der adeligen Herrschaft eigen). 1925 hatte das Dorf 165 Einwohner, heute sind es nur noch halb so viele. Von den 8 Urhöfen, durch Teilungen zeitweise auf 14 Anwesen vermehrt (darunter 2 Viertelhöfe), sind jetzt lediglich noch 4 in Vollerwerb, ein weiterer Hof betreibt nur Feldwirtschaft.
Grafenreuth war bis zu Beginn des 19. Jh. ein zweigeteiltes Dorf: im Norden die oben  beschriebene bäuerliche Dorfgemeinde, der sich im Südwesten der Rittergutsbezirk anschloss. Beide Teile waren völlig selbständige Bereiche. Erst nach der „Schloßzertrümmerung“ 1817 und mit der Bildung der „Ruralgemeinden“ (ab 1855 „Landgemeinden“) im neu entstandenen Königreich Bayern kam es zu einer „Vereinigung“ mit den ehemaligen Schloßuntertanen und dem nach 1700 auf Rittergutsgrund entstandenen Leutenberg („zu Grafenreuth am Leitenberg“). Von 1818 bis zur Gemeindegebietsreform 1977 war Grafenreuth unter Einbeziehung von Garmersreuth und Wampen mit Putzenmühle dann selbständige Gemeinde.
Die Grafenreuther gehörten von  Anbeginn zur Kirche in Arzberg; noch um 1960 war der ehemalige „Kirchsteig“ in der Flur sichtbar.

Schule

1824 wurde die Dorfschule gegründet, wozu die Schulgemeinde den „3. Theil des ehem. Freiherr-lichen Gravenreuth'schen Schlosses“ um 1700 fl. (Gulden) angekauft hatte. 1904 konnte dann das schöne neue Schulhaus auf dem „Küchen- und Gewürzgärtlein“ des Ritterguts bezogen werden. 1965 erfolgte unter Bürgermeister Martin Fischer ein Erweiterungsbau, der mit der Eingemeindung an den Markt Thiersheim ging und jetzt als Dorfgemeinschaftshaus genutzt wird.
Das ehemalige Klassenzimmer hat die evang. Kirchengemeinde Arzberg für die

Grafenreuther Gottesdienste angemietet, die immer noch gut besucht sind.
Das ehemalige Rittergut der Herren von Gravenreuth war zunächst nur ein Hof des Rodungsführers mit anschließender Zelche („Haselstaude“ genannt, oberhalb der Straße nach Leutenberg), der aber bald bevorrechtigt worden ist. So lagen bei späteren Zurodungen seine Felder nicht im Gemenge der kleinteiligen 8-Bauern-Fluren, sondern bildeten schließlich einen ansehnlichen geschlossenen Rittergutsbesitz. Im Landbuch von 1499 wird für den „Edelmanssitz“ des Jorg Grafenreuther eine Wiesen- und Feldfläche von 121 Tagwerk auf­geführt, die der Größe von 4 Höfen des Dorfes entsprach.
Das adelige Geschlecht der Herren von Gravenreuth kann seinen Stammbaum auf dem hiesigen Rittergut lückenlos bis zum Jahr 1398 zurückführen, wo im ältesten Lehensbuch der Burggrafen von Nürnberg ein Ulrich von Grafenreuth als Lehensmann genannt wird. Die Gravenreuther hatten eine Erbgruft in der Maria-Magdalena-Kirche zu Arzberg, sowie eine Adelsloge (das „Gravenreuther Böhrlein“). Wolf Adam von Gravenreuth errichtete 1703 die sogenannte „Gravenreuther-Stiftung“ für Armenunterstützung, Stipendien für bedürftige Studenten sowie für Kirchengerät (u.a. die Taufschale, einen vergoldeten Abendmahlskelch und silberne Leuchter).
1739 ging das Stammgut durch Einheirat an die von Schirnding aus der Röthenbacher Linie über. Aus dem Jahr 1794 gibt es eine „Pertinenzien-Spezifikation“ (Beschreibung der Schlossgebäude und der Liegenschaften) des letzten Gutsbesitzers; ein vorhandener Plan von 1828 zeigt exakt diese Aufzeichnung. Die ehemalige Rittergutszeile steht noch heute so im „Schlosshof“. Ein schönes Sgraffito über einer Eingangstüre zeigt das Gravenreuther-Einhorn. (s.o.)1817 wurde das Gut in völlig verschuldetem Zustand verkauft und aufgeteilt („zertrümmert“). Die einstigen Gutsuntertanen („Hintersassen“) konnten ihre Trüpfhäuschen im so genannten „Tempel“

Zeichnung

(Bezeichnung für einen wasserumgebenen Turmhügel der Anfangszeit) erwerben, dazu Ländereien als Gutsausbrüche. Auch hier wird heute keine Landwirtschaft mehr betrieben.

Anger

Der Schlosshof wird zurzeit im Rahmen der Dorferneuerung besonders vor der ehemaligen Schule umgestaltet. Auch der Dorfanger erhielt ein schöneres Bild: Der Dorfweiher wurde neu angelegt und anstelle der ehemaligen Milchkühlgruben hat man etliche Brunnenstuben nach altem Vorbild eingehaust.
Alle Ortsstraßen sind von Grund auf neu ausgebaut worden. So erhielt das 800-jährige Dorf durch diese umfangreichen Maßnahmen ein recht einladendes Ansehen, das freilich zur Erhaltung weiter einer aktiven Dorfgemeinschaft bedarf, wie sie sich jedes Jahr am dritten Sonntag im Juli beim Wartfest zeigt. (Gerhard Drescher)

Grafenreuth Oktober2011